Das japanische Sozialsystem

Bestandteile und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft

Tübingen 1997

 

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Gesellschaft und Wirtschaft in Japan

2.1. Gruppen und Familie

2.2. Ausbildung

2.3. Industrie- & Wirtschaftsstruktur

2.4. Duale Arbeitsmarktstruktur

2.5. Unternehmensgewerkschaften

2.6. Entstehung des japanischen Sozialsystems

3. Absicherung bei Krankheit

3.1. Japanisches Gesundheitswesen

3.2. System der Krankenversicherungen

3.3. Krankenversorgung der sozial Schwachen

3.4. Berufsunfallversicherung

4. Absicherung im Alter

4.1. Überalterung der japanischen Gesellschaft

4.2. Altenpflege

4.3. Gesetzliche Rentenversicherung

4.4. Sonstige Vorsorge im Alter

5. Absicherung bei Verlust der Arbeit

5.1. Arbeitslosigkeit in Japan

5.2. Betriebliche Beschäftigungspolitik

5.3. Arbeitslosenversicherung

5.4. Sozialhilfe

6. Auswirkungen auf die Wirtschaft

6.1. Arbeitskosten

6.2. Wirtschaftliche Auswirkungen

7. Schlussbetrachtung

Literatur

 

Abkürzungsverzeichnis

ARV Angestelltenrentenversicherung (kosei nekin hoken)
AKV Angestellten- und Arbeiterkrankenversicherung
EI Arbeitslosenversicherung (Employment Insurance)
HVG Hilfsverein auf Gegenseitigkeit (kyosai kumiai)
KMU Klein- und Mittelunternehmen
MITI Ministerium für internationalen Handel und Industrie (Ministery for International Trade and Industrie)
MoF Finanzministerium (Ministery of Finance)
MHW Ministerium für Gesundheit und Wohlfahrt (Ministary of Health and Welfare)
NKV Nationalen Krankenversicherung (kokumin kenkó hoken)
NRV Nationale Rentenversicherung (kokumin nenkin hoken)
OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-Operation and Developement)
SCAP Alliiertes Besatzungskommando (Supreme Command for the Allied Power)

 

1.Einleitung

In Deutschland wurde zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Arbeit die Zukunft des Rentensystems diskutiert. Zur Diskussion standen die Erhöhung der Beiträge zur Rentenversicherung auf 21% oder die Anhebung der Verbrauchssteuern. Vertreter der Wirtschaft forderten hingegen eine Senkung der Abgabenlast und der sozialen Leistungen um die internationale Konkurrenzfähigkeit zu gewährleisten. Im Verhältnis zu den wachsenden fernöstlichen Volkswirtschaften erscheinen die Lohnnebenkosten zu hoch. Daher findet eine massive Verlagerung der arbeitsintensiven Produktion ins Ausland statt. Fraglich ist ob zukünftig bei steigender Arbeitslosigkeit und sinkender Produktion der hohe sozialstaatliche Standard gehalten werden kann oder ob gewisse Abstriche gemacht werden müssen.

Japan gehört im eigentlichen Sinne nicht zu den wachsenden Volkswirtschaften, sondern ist seit den 70ern einer der führenden Industriestaaten. Nach dem 2. Weltkrieg hat Japan, dessen Industrialisierung erst wenige Jahre vor dem Krieg begann, vergleichbar mit Deutschland eine rasante wirtschaftliche Entwicklung erlebt. Jedoch wird dem ostasiatische Land häufig vorgeworfen, es hätte diesen wirtschaftlichen Aufschwung auf Kosten der Bevölkerung erreicht. Häufig wird in diesem Bezug der Begriff des Sozialdumpings verwendet, da die Lohn- und Lohnnebenkosten durchschnittlich bedeutend niedriger als in Deutschland sind. Andererseits dient das japanische System der sozialen Sicherung auch als Vorbild, da trotz geringer Beiträge und staatlicher Sozialleistungen unter anderem eine beispielhafte medizinische Versorgung gewährleistet wird. In diesem Zusammenhang ist das System der sozialen Sicherung in Japan zu analysieren. Unterscheidet sich dieses System tatsächlich so grundsätzlich von dem anderer Industriestaaten und sind sie überhaupt miteinander vergleichbar?

Sozialpolitik umfaßt "die Politik gegen wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten und Schwächen." Die staatliche Sozialpolitik betrifft die Einkommenssicherung, "die Arbeitnehmerschutzpolitik, die Arbeitsmarktpolitik, die Ausgestaltung der Betriebs- und Unternehmensverfassung, die Wohn-, Familien- und Bildungspolitik, die Politik der Einkommens- und Vermögensverteilung, die Jugendhilfe, die Altenhilfe-, die Sozialhilfepolitik und die mittelständische Sozialpolitik." Diese Arbeit beschäftigt sich vor allem mit dem Aspekt der Einkommenssicherung. Andere Aspekte der Sozialpolitik werden z.T. am Rande einfließen, sollen aber nicht näher erläutert werden.

Speziell in Japan kann, wie in dieser Arbeit aufgezeigt werden soll, die Sozialversicherungen nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen andere Aspekte der Vorsorge mit einbezogen werden. Die Methoden der Einkommenssicherung können in private Vorsorge und soziale Sicherung unterschieden werden. Die private Vorsorge kann in die individuelle Sicherung (Vermögensbildung, private Versicherungen) und subsidäre Institutionen (Familien, karitative Verbände, Betriebe, Gewerkschaften) unterteilt werden. Die soziale Sicherung umfaßt die staatliche Fürsorge und die staatlichen Pflichtversicherungen, die in dieser Arbeit hauptsächlich behandelt werden.

Das erste Kapitel beschreibt die japanische Gesellschaft und Wirtschaft und zeigt die Unterschiede der Sozial- und Wirtschaftsstruktur auf, die die Ursache für die Unterschiede in der sozialen Sicherung sind. In den Kapiteln drei bis fünf werden die wichtigsten sozialen Probleme der Absicherung bei Krankheit, im Alter und bei Arbeitslosigkeit beschrieben und die japanischen Lösungsversuche aufgezeigt. In Kapitel sechs werden die Folgen der Sozialpolitik und der sozialen Sicherungssysteme auf die Wirtschaft erläutert. Abschließend werden die gewonnenen Kenntnisse zusammengefaßt.